Die letzten Tage ging es auf unserem POLEPLACE Account recht heiß her. Falls ihr es nicht richtig mitbekommen habt hier eine kurze Zusammenfassung.

Ursprung der ganzen Thematik war ein Reel auf Instagram, dass uns von vielen Mitglieder*innen zugespielt wurde. In diesem Video bedient sich ein Komiker wiedermal an bekannten Vorurteilen aus der Poledance-Szene. Die übliche Leier, dass Poledancer*innen doch eigentlich nur Stripper*innen sind und dass mit Vätern, die ihre Töchter bei Wettkämpfen anfeuern, auch etwas nicht stimmen kann.

Intern entbrannte dazu bei uns eine recht große Diskussion. Carmen und Stefan waren sofort Feuer und Flamme für dieses Thema und konnten die Empörung und das Entsetzten unserer Follower*innen und Mitglieder*innen teilen. Ich hingegen dachte mir: Okay..? Warum herrscht den ein so großer Aufruhr „nur“ wegen irgendwelcher Kommentare eines Komikers? Das ist doch sein Job oder nicht?

Es sind doch einfach nur dieselben Kommentare, die wir uns bereits seit Jahren (bei mir sind es jetzt mittlerweile schon 15 Jahre) anhören. Ich konnte den Wirbel um das Reel des Comedians zu dem Zeitpunkt nicht wirklich nachvollziehen.

Doch dann prasselten im 5 Minuten Takt die Erfahrungen unserer Pole-Community aus der gesamten DACH-Region auf uns ein und ich war sprachlos und fassungslos zugleich.

Mein eigenes Abstumpfen über die Jahre…

Es waren teilweise Horror Stories die uns erreicht hatten. Vom Bruch ganzer Familien und Freundschaften bis hin zu beruflichen Nachteilen war alles vertreten. Mein Hals wurde ganz trocken und ich empfand Wut und Traurigkeit zugleich. So langsam fing ich an zu realisieren wie sehr ich abgestumpft war über die Jahre.

Solche Kommentare und Vorurteile gehören seit Beginn des Poledance-Trainings zu meinem Leben und verstärkten sich natürlich, als ich das Unterrichten von Poledance zu meinem Hauptberuf machte. Dadurch, dass Poledance zu meinem Hauptberuf geworden ist, war ich in meiner Pole-Bubble komplett gefangen. Innerhalb unserer Community wird jeder Stil akzeptiert und es herrschen großer Respekt und Support untereinander. Die anfängliche Negativität mit der ich zu Beginn meiner Polegeschichte konfrontiert wurde, verschwand allmählich aus meiner Welt und meinem Blickwinkel. Doch diese Negativität war und ist nach wie vor existent, nur nicht mehr in meiner eingeschränkten „Pole- und Sportwelt“. Daher war ich ganz erschrocken und schockiert über meine zuerst gleichgültige und ignorante Reaktion.

Ich denke da geht es vielleicht vielen Polesportler*innen und Polekünstler*innen ähnlich wie mir zu Beginn, dass sie gar nicht nachvollziehen können, warum jetzt so ein Aufstand wegen einiger Kommentare veranstaltet wird und man sogar eine Petition startet.

Warum stört man sich an dem Vergleich mit Stripperinnen?

Natürlich haben wir es vielen mutigen Frauen aus den 60er und 70er Jahren zu verdanken, dass unsere Sportart ihre tänzerischen Elemente, ihre Weiblichkeit und Ästhetik, wie wir sie heute kennen, erhalten hat. Das ist einfach ein historischer Fakt.

Für mich persönlich ist Strippen ein Beruf wie jeder andere, der gar nicht so einfach ist, wie es oft dargestellt wird. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass Strippen eine Kunstform ist. Aber diese Frauen entscheiden sich bewusst dazu, sich als Stripper*innen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb verstehe ich den Ärger von Poledancer*innen, wenn sie Poledance als Sport betreiben und immer wieder in diese Schublade gesteckt werden. Nicht selbstbestimmt, sondern durch Klischees von außen.

Jeder, der es vielleicht mal selbst heimlich vor dem Spiegel oder auch nicht heimlich versucht, hat mit Sicherheit festgestellt, dass Strippen weit mehr ist als sich einfach nur „auszuziehen“.

Ich persönlich fühle mich bei einem Vergleich mit einer Stripperin überhaupt nicht beleidigt oder herabgewürdigt, sondern sehe dies eher als Kompliment. Mit jemandem verglichen zu werden, der weiß wie man sich ästhetisch, geschmeidig und fließend bewegt, ist für mich persönlich schmeichelhaft.

Schlussendlich kann ich jedoch auch nachvollziehen, dass jedes Berufsfeld seine Eigenständigkeit und seine eigenen Bezeichnungen hat. Vergleiche zu ziehen ist völlig normal, doch Bezeichnungen und Worte in ihrer korrekten Sinnhaftigkeit zu verwenden ist für eine gelungene Kommunikation unerlässlich. Um dies hier mal kurz an einem Beispiel zu verdeutlichen: die Betriebswirtschaftslehre vereint viele verschiedene Berufe in ihrem Segment, ein Controller ist kein Buchhalter und würde dies vermutlich auch klarstellen wollen. Eine klare Kommunikation erfordert das Verwenden der richtigen Begrifflichkeiten. Manchmal können sich bestimmte Inhalte überschneiden und dadurch zu Verwirrung beitragen, wie im Falle von Poledancer*innen und Stripper*innen. Beide verwenden dasselbe Equipment, eine Polestange, und diese Tatsche alleine reicht schon für viele um es als „dasselbe“ anzusehen. Ein Boxer und ein Kickboxer haben auch viele Gemeinsamkeiten, trotzdem ist ein Kickboxer kein Boxer und umgekehrt.

Was steckt wirklich dahinter?

Dass ein Komiker sich an Klischees und Vorurteilen bedient ist nicht das Grundproblem. Dass diese Vorurteile und Klischees aber Anklang finden und darüber gelacht wird zeigt uns, dass hier gesellschaftlich noch sehr viel Arbeit für uns ansteht. Und diese Arbeit müssen wir selbst erledigen und in die Hand nehmen. Es kann im Jahr 2023 nicht sein, dass Männer und Frauen durch die Ausübung eines sportlichen Hobby’s beruflich benachteiligt oder diskriminiert werden. Wenn wir uns mit Männern in der Pole Community unterhalten, dann haben diese mit genau denselben oder teilweise noch schlimmeren Vorurteilen zu kämpfen. Weiterhin hat vielleicht der ein oder andere noch im Hinterkopf, dass viele von uns erst kürzlich von Instagram „verbannt“ wurden oder war gar selbst davon betroffen. Es wurden Videos und Fotos oder ganze Accounts gesperrt, weil sie gegen die Instagram Regeln verstießen. Das ist einfach nicht in Ordnung.

Doch wir wollen die Menschen, die uns oder unseren Sport noch nicht kennen und damit noch nie in Berührung gekommen sind, nicht ausschließen. Ganz im Gegenteil, wir wollen sie mitnehmen und Ihnen alle Varianten und Aspekte unserer tollen Sportart aufzeigen und aufklären.

In der Pole-Community selbst gibt es zwei Lager, die einen sehen Poledance als Sport, daher auch die Bezeichnung „PoleSport“. Dieser ist bereits international durch unseren Weltverband, die IPSF (International Polesport Federation) und national durch die Landessportbünde und den ODPS (Organsisation des Deutsch den PoleSports) als solcher anerkannt. Es gibt verschieden Kategorien in denen Wettkämpfe auf nationaler und internationaler Ebene ausgetragen werden. Jede Kategorie hat ihren eigenen Anforderungskatalog und Regularien.

Der andere Teil unserer Community sieht Poledance als Kunstform und nutzt diese als Instrument der eigenen Darstellung oder als Interpretationstool und Sprachrohr zu unterschiedlichen Themen. Beide Formen des Poledance haben ihre Daseinsberechtigung und verdienen Anerkennung und Respekt.

Wie können wir etwas verändern?

Es kann wirklich jeder etwas dazu beitragen, um unsere Sportart von verschiedenen Stigmata zu befreien und die Gesellschaft zu mehr Akzeptanz und Toleranz zu erziehen. Dies schaffen wir jedoch nicht, indem wir uns distanzieren und alle Kommentare, Vorurteile, Beleidigungen, und Benachteiligungen über uns ergehen lassen oder gar unseren Sport einfach heimlich ausüben! Das schaffen wir nur, wenn wir mit den Menschen in einen Dialog gehen und ihre Ängste und Vorurteile mit entsprechender Sensibilität abbauen.

Wir bei POLEPLACE versuchen dies auf vielen unterschiedlichen Wegen und Kanälen, um möglichst viele verschiedene Menschengruppen zu erreichen. Unser Format „Sportler*innen lernen Poledance“, die Petition und der Hashtag #poledanceisasport sind ein Anfang, den wir gerne mit euch weiter ausbauen möchten. Natürlich dürft ihr unsere Aktionen verbreiten und uns dabei unterstützen. Es zählt wirklich jede kleine Hilfe.

Gemeinsam können wir es schaffen, Poledance in der gesamten Gesellschaft zu etablieren und vielen den Zugang zu dieser Sportart zu ermöglichen, die sich vielleicht gerade wegen der Vorurteile und der öffentlichen Meinung darüber, nicht trauen diesen auszuüben.

Lasst uns gemeinsam die Veränderung sein. We can do it!

Irina Mauch

Als Co-Founderin von POLEPLACE ist Irina mit über 12 Jahren Erfahrung im Polesport in ihrem eigenen FREAKY Polestudio, eine echte Größe im deutschen Polesport. Als 4-malige deutsche Meisterin im Pole Double bringt Irina auch Wettkampferfahrung mit.